Menschen und Bäume haben eine schon mehrere Jahrtausende dauernde Geschichte miteinander.
Menschen und Bäume teilen sich auf dem ganzen Planeten den Lebensraum und das Lebenselixier, das Wasser.
Und anders als viele tierische Lebensformen haben Menschen und Bäume im Laufe der Evolution nicht ausweichen können. Weder ins Meer, noch in die Luft oder in Räume, die kein Wasser bieten.
Trotzdem sind sowohl Bäume als auch Menschen sehr erfolgreich darin, sich Lebensräume zu erobern, sie zu besiedeln, zu dominieren. Und dabei ist nicht wirklich klar, welche der beiden Lebensformen stärker ist.
Während der Mensch die Bäume für alle möglichen Dinge benutzt, kommen die Bäume sofort wieder, den Raum zu besiedeln und zu besetzten, den Menschen nicht intensiv und aufwändig dagegen verteidigen.
Da ist Spannung in der Luft.
Und Luft ist ein wichtiges Stichwort beim Thema Mensch und Baum.
Während wir Menschen Sauerstoff verbrauchen und CO2 produzieren, binden die Bäume CO2 und produzieren Sauerstoff.
Wir Menschen können nicht ohne Bäume, aber die Bäume könnten sehr gut ohne Menschen auskommen, auf dem Planeten Erde.
Im Laufe der Jahrtausende hat die Menschheit Bäume benutzt, um sie zu verbrennen, um Wärme für ihre Behausungen und für die Zubereitung ihrer Lebensmittel zu erzeugen. Bäume haben als Baustoff für Häuser und für verschiedene Fortbewegungsmittel gedient. Manchmal so lange, bis keine Bäume mehr da waren.
Gleichzeitig stellen große, alte Bäume oft spirituelle oder soziale Orte für Menschen dar. Es wurde Recht gesprochen und durchgesetzt im Schutz von großen Baumkronen.
Die Forschung hat viel über Bäume herausgefunden, aber vieles wissen wir bis heute nicht. Wir glauben, dass Bäume als Pflanzen keinen Schmerz verspüren und keine Gefühle haben, keine sozialen Strukturen untereinander ausbilden. Ob das stimmt? Man weiß es nicht. Es gibt tatsächlich auch Hinweise darauf, dass das vielleicht auch einfach nur vor uns verborgen gewesen ist bisher.
Lange Zeit hat der Mensch seine Bedürfnisse für wichtiger gehalten, Bäume oft nur als Mittel zur Erreichung seiner Ziele gesehen. Es hätte viele Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit nicht gegeben, wenn nicht Bäume als Hilfsmittel da gewesen wäre. Columbus wäre nie in Amerika angekommen, ganze Armadas von Schiffen wären nie gebaut worden. Städte wäre nicht entstanden, wenn es keine Holzhäuser gegeben hätte.
All das schwingt mit, wenn wir heute in unserer Stadt des 21. Jahrhunderts Konflikte zwischen dem Lebensrecht von Bäumen und unserem Bedarf an Flächen ausfechten.
Und inzwischen schwingt auch immer bei solchen Konflikten der Gedanke mit, dass wir Bäume in unserem Lebensraum brauchen und nicht nur Flächen, die wir bebauen können.
All das ist ebenfalls in unseren Hinterköpfen, wenn wir heute darüber diskutieren, ob wir es tatsächlich verantworten können, für einen Kindergarten einen Wald zu vernichten.
Der Wald hat das getan, was Bäume tun, wenn wir Menschen sie nicht aktiv dran hindern. Er ist einfach gewachsen. Eine kahle, ungenutzte Fläche von ein paar tausend Quadratmetern ist innerhalb weniger Jahre mit respektabel großen Bäumen bewachsen. Wir Menschen können die Bäume nicht mit unseren Mitteln der Kommunikation daran hindern. Dem Wald ist egal, als was er in irgendeinem B-Plan steht. Er wächst einfach. Er hält sich nicht mal daran, dass ein Wald, der nicht im Wald wächst, formaljuristisch kein Wald ist. Der Wald ist einfach trotzdem Wald. Inklusive aller Tiere, die gern in Wäldern leben. Auch ihnen ist vollkommen egal, dass sie planungsrechtlich auf einer „Fläche für den Gemeinbedarf“ leben.
Wir spüren an dieser Stelle unsere Machtlosigkeit. Wir müssen jeden Meter, den wir nicht den Bäumen und dem Wald überlassen wollen, ständig verteidigen. Tun wir es nicht, haben die Bäume sehr schnell die Oberhand.
Und darum stehen wir nun vor der eigentlich fast unmöglich zu beantwortenden Frage, ob der Bau eines Kindergartens uns die Rodung eines Stückes Wald wert ist.
Wir können den Kindergarten nicht einfach auf ein anderes Stück Land bauen, das wir konsequent genug dem Wald vorenthalten haben. Denn anders als für die Bäume gilt für uns Menschen das selbst gemachte Planungsrecht. Für uns ist das auch sehr gut so, denn es hilft uns sehr, unsere gebaute Umwelt halbwegs sinnvoll und auch sozial gerecht zu gestalten.
Essen ist insgesamt eine sehr grüne Stadt. Das Grün ist nicht ganz gleichmäßig auf das Stadtgebiet verteilt, aber dennoch stehen wir nicht ohne Grün da, wenn wir nun zu der Erkenntnis kommen, dass wir das selbstgemachte Dilemma selbst lösen müssen.
Der in Rede stehende Kindergarten wird sehr dringend gebraucht. Er ist Tiel einer bedarfsgerechten langfristigen Planung, die dafür sorgen soll, dass Kinder überall in der Stadt eine gute Betreuung und frühe Bildung erhalten sollen. Da gibt es keine Diskussion.
Wenn wir den Kindergarten bauen und die Bäume dafür verschwinden müssen, dann könnten wir ja ganz bewusst an einer anderen, möglichst sehr nahe gelegenen Stelle aufhören, die Bäume zu bekämpfen. Wir könnten aktiv welche pflanzen, aber ansonsten eine Fläche sich selbst überlassen. Die Kinder im Kindergarten, später in einer der Schulen der Stadt können dann dort den Bäumen beim Wachsen zuschauen. Und wenn sie in 20 Jahren als junge Erwachsene durch einen neu gewachsenen Wald gehen können, werden sie vielleicht eine Verbundenheit spüren. Mit dem Wald, der mit ihnen zusammen gewachsen ist und für den wir dann jetzt die Möglichkeiten und die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen können und müssen. Damit er auch zum hundertsten Geburtstag dieser Kinder noch da steht.