Zum ersten Mal auf die Villa Ruhnau angesprochen wurde ich im Sommer 2020, beim Wahlkampf in Werden.
Damals war mir zwar der Namensgeber, Werner Ruhnau, ein Begriff und ein Teil seines Oeuvres, aber die nach ihm benannte Villa kannte ich nicht. Das hat sich in meinen ersten Monaten als Ratsfrau gründlich geändert.
Die Villa Ruhnau im Laufe der Zeit…

Diese alte Postkarte, offenbar aus dem Jahr 1917 zeigt das Haus 12 Jahre, nachdem es erbaut wurde. Sie stammt aus dem Archiv von Armin Rahmann, der mir freundlicherweise gestattet hat, sie hier zu verwenden.
Imposant steht sie da, die Villa. Auf einem Hügel, mit breiter Treppe, die zum Schreiten einlädt. Man ahnt die Bauzeit, ein Hauch von Jugendstil liegt in der Luft. Stadthalle am „Luftigen“ nannte sie sich damals.
Doch der Jugendstil gehört zu einer Zeit, die, so wie unsere heutige Zeit, von Veränderung dominiert war.
Zwei Kriege hat das Gebäude überstanden, die Weimarer Republik, das Naziregime.
Und so blieb auch das Gebäude nicht, wie es war. Es wurde umgebaut, es wurde angebaut, die Nutzung veränderte sich mehrfach. Aus der Stadthalle wurde ein Kinderkrankenhaus, eine Bibliothek, eine Musikschule, ein Wohnhaus.

Ein Bild der Villa aus heutiger Zeit, mit freundlicher Genehmigung von Barbara Arens
Heute dominieren große Bäume das Grundstück. Die Villa tritt dahinter fast zurück.
Die Freitreppe ist verschwunden. Und mit ihr die Verbindung zur Straße, zur Öffentlichkeit. Aus der einladenden Geste ist eine abweisende, die Privatsphäre der Villa schützende Stützmauer geworden.
Der Architekt Ruhnau, der ungefähr 20 Jahre hier wohnte und wirkte und den heutigen Namen der Villa stiftete, lebt nicht mehr, seine Erben haben das Haus verkauft.
Das Haus ist alt geworden, weit über 100 Jahre steht es nun schon, ein sanierungsbedürftiges Wohngebäude, das von den günstigen Mieten, die dort gezahlt werden, kaum mehr erhalten werden kann, das aber dennoch sehr dringend einer umfassenden Sanierung bedarf.
Und damit beginnen die heutigen Probleme.
Die Villa Ruhnau heute…
Auf der einen Seite ist das Haus ein privates Eigentum auf privatem Grundstück, gesetzlich geschützt, verbunden mit allen Rechten und Pflichten, die privates Eigentum an Grund und Boden, an Immobilien mit sich bringen.
Auf der anderen Seite empfinden viele Menschen in Kettwig und auch darüber hinaus eine tiefe Verbundenheit mit dem Haus das dort schon so lange steht.
Und die schönen alten Bäume werden auch geliebt. Obwohl der Garten in dem sie stehen, heute natürlich schon lange kein öffentlich zugänglicher Park mehr ist.
Die Folge dieses regen öffentlichen Interesses ist, dass der Besitzer mit seinen Plänen zur Sanierung der Villa Ruhnau und zur Erweiterung der Bebauung des Grundstücks nicht nur dem öffentlichen Baurecht genügen muss, sondern dass er und die genehmigende Politik und Verwaltung auch durch Anwohner*innen und Nachbarschaftskreise sehr kritisch begleitet werden.
Die Villa Ruhnau in der Zukunft…
Gewünscht, ja, vehement gefordert wird, dass sowohl das Haus, als auch die Bäume, als auch die günstigen Wohnungen im Haus erhalten werden müssen.
Es liegt auf der Hand, dass das alles gleichzeitig kaum möglich sein kann.
Denn wie soll eine aufwändige Sanierung finanziert werden, wenn die Mieten nicht steigen sollen?
Wie sollen Bäume erhalten werden, wenn Stellplätze nur in einer Tiefgarage nachgewiesen werden können?
Die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen für die Sanierung der Villa und die ergänzende Bebauung ist hier eigentlich kein sonderlich kompliziertes Problem.
Die Anzahl der Wohnungen in der Villa soll reduziert werden, die gemäß Stellplatzsatzung der Stadt notwendigen Stellplätze können dabei nur unter der Erde untergebracht werden, denn das Grundstück wäre sonst zu klein.
Auf der dafür von Bäumen freizuräumenden Fläche wird eine ergänzende Bebauung errichtet, was zusätzlich das immobilienwirtschaftliche Risiko des Bauherrn etwas reduzieren mag.
Es müssen nach der Stellplatzsatzung übrigens auch über 100 Fahrradstellplätze auf dem Grundstück erreichtet werden.
Die Bäume, die gefällt werden müssen, werden nach der für alle Grundstücksbesitzer*innen in der Stadt Essen gültigen Baumschutzsatzung bewertet und es wird Ausgleich geschaffen.
Die Erhaltung der Villa selbst ist somit möglich, aber die Erfüllung der Forderungen der Anwohner*innen und Bürger*innen nach Baumerhalt und billigen Mieten ist unmöglich.
Denn eine echte Alternative zum oben beschriebenen Plan gibt es nicht.
Auch die Sanierung und der Erhalt der Villa allein, ohne den Neubau von zusätzlichen Gebäuden erfordern die Errichtung von Stellplätzen, dafür müssen unweigerlich die alten Bäume gefällt werden.
Einfach nichts zu tun, Haus und Bäume unverändert stehen zu lassen, ist ebenfalls keine Option, denn das würde den Sanierungsbedarf am Gebäude weiter steigen lassen und in wenigen Jahren bliebe nur noch der Abriss. Das kann niemand ernsthaft wollen.
An diesem Dilemma kann auch eine Erhaltungssatzung mit Veränderungssperre nichts ändern, die immer wieder lautstark und öffentlich gefordert wird.
Mal abgesehen davon, dass ein einzelnes Gebäude auf einem einzelnen Grundstück keinen „städtebaulichen Bereich“ definieren kann, der durch eine Erhaltungssatzung geschützt werden könnte, würde jeder stadtplanerische Eingriff in das bestehende Baurecht des Besitzers von Grundstück und Villa, durch den dieses Baurecht so erheblich eingeschränkt würde, wie das auch durch eine Erhaltungssatzung und die ebenfalls geforderte Veränderungssperre der Fall wäre, entweder einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten oder unweigerlich dazu führen, dass die Stadt das Gebäude übernehmen müsste.
Und dann stünde die Stadt vor genau den gleichen Problemen, wie der jetzige Besitzer.
Denn wenn nichts zum Erhalt des Hauses getan würde, wäre das Haus trotzdem in wenigen Jahren reif für den Abriss. Und wenn die Stadt als Besitzerin das Haus sanieren würde, müsste auch sie, genau wie jede andere Bauherrin, die eigene Stellplatzsatzung erfüllen und dafür die Bäume fällen.
Die Villa Ruhnau in der Politik…
Darum ist es nach sehr reiflicher Überlegung und Abwägung aller möglichen Optionen durch die politischen Gremien und die Stadtverwaltung die beste Lösung, die alte Villa Ruhnau, oder auch die ehemalige Stadthalle zum “Luftigen”, das ehemalige Kinderkrankenhaus, zu erhalten und zu sanieren.
So können sich auch nachfolgende Generationen noch an der alten Bausubstanz und dem Hauch von Jugendstil erfreuen, der zumindest in der Fassadengestaltung wieder sichtbar werden soll.
Diese Lösung tragen auch die GRÜNEN in Rat der Stadt aus Überzeugung und in dem Wissen mit, damit einen historischen Ort erhalten zu können, der zwar nach seiner wechselvollen Geschichte und vielen baulichen Veränderungen nicht mehr formal denkmalwürdig, aber dennoch wertvoll für Kettwig, die Kettwiger Bürger*innen und die ganze Stadt Essen ist.
Die Immobilie Villa Ruhnau und das angrenzende städtische Grundstück, das der Investor wohl für ein rentables Gesamtprojekt erwerben wird, haben in der Tat eine komplexe Historie. Und das Baurecht gilt in Essen wie andernorts. Die Stellplatzsatzung ist kommunal und noch recht jung. Sie war sicher gut gemeint. Sie wirkt aber nicht als Anreiz für Verbesserungen des ÖPNV, sondern führt zu großen Tiefgaragen, die alten Bäumen den Wurzelraum nehmen. Das ist m. E. revisionsbedürftig.
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