Diese Frage treibt in Essen grade einige Menschen um.
Denn wir haben hier in unserer Stadt mehrere solche Relikte aus der Zeit, als es hipp war, Steffi Graf und Boris Becker nachzueifern. Heute wird natürlich immer noch Tennis gespielt, aber eine ganze Reihe Vereine haben es nicht weit ins 21 Jahrhundert geschafft.

Nach einigen Jahren ohne Nutzung sieht das dann so aus. Das alte Clubhaus steht noch, ist dem Vandalismus preisgegeben, die Tennisplätze sind auch noch da. Vegetation in Form von Gestrüpp breitet sich aus.
Es gibt Menschen, die denken, dass das ja super ist, denn die Natur holt sich einfach ihren Raum zurück. Und Ruck Zuck ist das Ganze ein Biotop.
Das stimmt aber nicht. An dieser Stelle kann kein Mini-Biotop entstehen. Denn an dieser Stelle hat der Mensch nicht nur einfach ein bißchen Ziegelstaub auf die Erde gestreut, der wie roter Sand aussieht.
Ein Tennisplatz hat einen genormten Aufbau. Und der besteht aus ganz grob 50 cm verschiedener Trag- und Ausgleichsschichten, bis die 2 bis 5 cm Ziegelstaub am Ende oben drauf kommen.
Und unter den 50 cm wird mittels Drainage das Wasser abgeführt.
Man will ja schließlich direkt nach dem Regen wieder Tennis spielen. Und das auf einem stabilen Platz. Da ist für Wasser kein Platz. Das muss von der Oberfläche schnell abgeleitet werden und es darf auch nicht von unten in den Aufbau aufsteigen. Sonst ist der instabil und innerhalb kurzer Zeit wieder kaputt.
Das bedeutet im Klartext, dass es nicht nur keinen gewachsenen Boden gibt, bis mindestens 50 cm unter Oberkante Tennisplatz. Das Ganze ist ist auch bis in große Tiefe eine Wüste, weil Wasser niemals aufgenommen werden kann, sondern konsequent abgeleitet wird. Schlechte Bedingungen für ein Biotop. Schlechte Bedingungen auch für große Bäume. Sie werden es an solchen Orten schwer haben, zu wachsen und stabil zu sein.
Ebenfalls problematisch können die Materialien sein, aus denen die ersten 50 cm unter Platzniveau aufgebaut sind. Verschiedene Schichten mit Eigenschaften, die zusammen einen einen guten Tennisplatz ergeben, finden sich so niemals in der Natur. Einige Materialien finden sich überhaupt gar nicht in der Natur. Ziegelstaub beispielsweise ist kein natürliches Material.
Alles zusammen führt dazu, dass man eine solche Fläche als “anthropogen überformt” bezeichnet. Sie ist von Menschenhand geschaffen und hat keine Merkmale einer natürlichen Bodenbeschaffenheit mehr.
Für solche Flächen gibt es zwei Möglichkeiten, sie zu nutzen, wenn tatsächlich definitiv kein Tennis dort mehr gespielt wird.
Die eine Möglichkeit ist, dass man die Fläche renaturiert. Das bedeutet, alles menschengeschaffene, Gebäude und Plätze inclusive Drainage müssen bis mindestens 50cm unter Bodenkante abgetragen, und weitgehend in den Sondermüll verfrachtet werden. Dann muss gewachsener Boden aufgefüllt werden. Erst dann hat die Natur von allein oder mit menschlicher Starthilfe eine Chance, dort ein Biotop zu entwickeln.
Das wird man wegen der hohen Kosten vor allem dort tun, wo zusätzliches Grün wertvoll ist. Also in hoch verdichteten Bereichen der Stadt zum Beispiel, in denen das Gebot der Zeit die Entsiegelung von Fläche ist.
Allerdings findet man in den besonders dicht bewohnten Stadtvierteln in der Regel solche Tennisplatzanlagen nicht, denn sie wurden eher abseits errichtet. Tennis zu spielen ist nämlich nicht ganz leise und darum mit einem Wohngebiet oft nicht gut kompatibel.
Wir finden solche von Menschen gemachten “Sportwüsten” eher am Rande von Siedlungen, manchmal im Übergang zur Natur, zu Naturschutzgebieten, zu Biotopen.
Darum stellt sich dort immer wieder die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, die sowieso schon der Natur entzogene Brache erneut zu bebauen.
Oft ist die Antwort darauf “ja”. Vor allem, wenn sich keine andere sinnvolle Nutzung für die Fläche, die Infrastruktur an Gebäuden, an Sportplatzflächen, an Verkehrsflächen findet.
Die Wahl für die zukünftige Nutzung wird auf “Wohnen” fallen, insbesondere dann, wenn in der Nähe, vielleicht auf der anderen Straßenseite oder benachbart zur Fläche auch schon gewohnt wird. Dann rundet die Bebauung einer so genau abgegrenzten Fläche, wie es eine Tennisplatzanlage ist, oft die vorhandene Umgebungsbebauung ab.
Meist muss in solchen Fällen erst das Bauplanungsrecht für die Wohnbebauung geschaffen werden, denn die bisherige Nutzung hatte ja eine ganz andere Qualität, als eine Wohnnutzung.
Wenn der Tennisplatz dann im Rahmen der Baumaßnahmen zurückgebaut wird, passiert das quasi nebenbei, denn die neuen Gebäude, die errichtet werden sollen, müssen gegründet werden, werden Keller oder sogar Tiefgaragen haben. Der Rückbau der Hinterlassenschaften der vorherigen Nutzung erzeugt dabei keine so großen Mehrkosten, wie es bei einer Renaturierung der Fläche der Fall wäre, denn die Erdarbeiten werden ja sowieso erforderlich sein.
Genau dies ist ganz aktuell der Fall bei einem Bebauungsplan der kurz vor der Fertigstellung, dem Satzungsbeschluss durch die politischen Gremien der Stadt steht.
Der “Bebauungsplan Nummer 04/15 „Icktener Straße (ehem. Tennisanlage)“ (welcher oben im Screenshot von Google Earth zu sehen ist), kann unter der Vorgangsnummer 0688/2022/7 im Ratsinformtionssystem der Stadt Essen nachgelesen werden.
Hier wurde die Abwägung getroffen, dass wir in Essen so dringend Wohnraum brauchen, vor allem preisgünstigen Wohnraum und gefördert errichtete Wohnungen, dass dieser Bedarf größer ist, als der Bedarf ein weiteres Biotop inmitten vieler Biotope zu schaffen.
Im Stadtbezirk 9 gibt es fast überhaupt keine geförderten Wohnungen mehr. Darum ist der zukünftige Bau von mindestens 30 Prozent der dort entstehenden ca. 25 Wohnungen in drei Gebäuden als geförderte Wohnungen für den Bezirk sehr zu begrüßen und zu unterstützen.
Dieses Projekt entspricht grünen Zielen, denn der Bau von preisgünstigen Wohnungen auch im Stadtbezirk IX ist ein großes Anliegen für uns.
Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die Wohngebäude, die in ein paar Jahren dort stehen werden, energieautark sein werden und damit einen Beitrag zur Klimaneutralität der Stadt Essen leisten. Durch Dach- und Fassadenbegrünung wird heutzutage manches Mal mehr Grün geschaffen, als vorher auf dem Grundstück vorhanden war. Das kann ein guter Beitrag für das Mikroklima und Biodiversität am Ort sein.
Auch die von vielen gewünschte und sicher sehr sinnvolle Offenlegung und Renaturierung des Icktener Baches bleibt ein Ziel und Projekt, das bei entsprechender Planung und Finanzierung möglich ist. Die Bebauung wird auf dem Grundstück so platziert, dass sie einem solchen Projekt nicht im Wege steht. Der heute zeitgemäße Umgang mit Regenwasser, das nicht abgeleitet, sondern zur Bewässerung von grünen Dächern und Fassaden sowie für die Grundstücksvegetation eingesetzt kann dabei helfen, den Bach zu entlasten.
Aus Sicht der Grünen in Essen, in diesem Fall vertreten von der Ratsfraktion, spricht darum sehr viel dafür, den Satzungsbeschluss für den oben erwähnten Bebauungsplan aktiv mitzutragen.